Zweite Vigilie

We use cookies. Read the Privacy and Cookie Policy

Wie der Student Anselmus f?r betrunken und wahnwitzig gehalten wurde. – Die Fahrt ?ber die Elbe. – Die Bravour – Arie des Kapellmeisters Graun[10]. – Conradis Magen – Lik?r und das bronzierte ?pfelweib.

»Der Herr ist wohl nicht recht bei Troste[11]!« sagte eine ehrbare B?rgersfrau, die vom Spaziergange mit der Familie heimkehrend, still stand und mit ?bereinandergeschlagenen Armen dem tollen Treiben des Studenten Anselmus zusah. Der hatte n?mlich den Stamm des Holunderbaumes umfasst und rief unaufh?rlich in die Zweige und Bl?tter hinein: »O nur noch einmal blinket und leuchtet, ihr lieblichen goldnen Schl?nglein, nur noch einmal lasst eure Glockenstimmchen h?ren! Nur noch einmal blicket mich an, ihr holdseligen blauen Augen, nur noch einmal, ich muss ja sonst vergehen in Schmerz und hei?er Sehnsucht!« Und dabei seufzte und ?chzte er aus der tiefsten Brust recht kl?glich und sch?ttelte vor Verlangen und Ungeduld den Holunderbaum, der aber statt aller Antwort nur ganz dumpf und unvernehmlich mit den Bl?ttern rauschte und so den Schmerz des Studenten Anselmus ordentlich zu verh?hnen schien. – »Der Herr ist wohl nicht recht bei Troste«, sagte die B?rgersfrau, und dem Anselmus war es so, als w?rde er aus einem tiefen Traum ger?ttelt oder gar mit eiskaltem Wasser begossen, um ja recht j?hling zu erwachen. Nun sah er erst wieder deutlich, wo er war, und besann sich, wie ein sonderbarer Spuk ihn geneckt und gar dazu getrieben habe, ganz allein f?r sich selbst in laute Worte auszubrechen. Best?rzt blickte er die B?rgersfrau an und griff endlich nach dem Hute, der zur Erde gefallen, um davonzueilen. Der Familienvater war unterdessen auch herangekommen und hatte, nachdem er das Kleine, das er auf dem Arm getragen, ins Gras gesetzt, auf seinen Stock sich st?tzend, mit Verwunderung dem Studenten zugeh?rt und zugeschaut. Er hob jetzt Pfeife und Tabaksbeutel auf, die der Student fallen lassen, und sprach, beides ihm hinreichend: »Lamentier’ der Herr nicht so schrecklich in der Finsternis, und vexier’ Er nicht die Leute, wenn Ihm sonst nichts fehlt, als dass Er zuviel ins Gl?schen gekuckt – geh Er fein ordentlich zu Hause und leg’ Er sich aufs Ohr!« Der Student Anselmus sch?mte sich sehr, er stie? ein weinerliches Ach! aus. »Nun nun«, fuhr der B?rgersmann fort, »lass es der Herr nur gut sein, so was geschieht den Besten, und am lieben Himmelfahrtstage kann man wohl in der Freude seines Herzens ein Schl?ckchen ?ber den Durst tun. Das passiert auch wohl einem Mann Gottes – der Herr ist ja doch wohl ein Kandidat. – Aber wenn es der Herr erlaubt, stopf’ ich mir ein Pfeifchen von seinem Tabak, meiner ist mir da droben ausgegangen.« Dies sagte der B?rger, als der Student Anselmus schon Pfeife und Beutel einstecken wollte, und nun reinigte der B?rger langsam und bed?chtig seine Pfeife, und fing ebenso langsam an zu stopfen. Mehrere B?rgerm?dchen waren dazugetreten, die sprachen heimlich mit der Frau und kickerten miteinander, indem sie den Anselmus ansahen. Dem war es, als st?nde er auf lauter spitzigen Dornen und gl?henden Nadeln. Sowie er nur Pfeife und Tabaksbeutel erhalten, rannte er spornstreichs davon. Alles, was er Wunderbares gesehen, war ihm rein aus dem Ged?chtnis geschwunden, und er besann sich nur, dass er unter dem Holunderbaum allerlei tolles Zeug ganz laut geschwatzt, was ihm denn um so entsetzlicher war, als er von jeher einen innerlichen Abscheu gegen alle Selbstredner gehegt. »Der Satan schwatzt aus ihnen«, sagte sein Rektor, und daran glaubte er auch in der Tat. F?r einen am Himmelfahrtstage betrunkenen Candidatus theologiae[12] gehalten zu werden, der Gedanke war ihm unertr?glich. Schon wollte er in die Pappelallee bei dem Koselschen Garten einbiegen, als eine Stimme hinter ihm herrief: »Herr Anselmus! Herr Anselmus! wo rennen Sie denn um tausend Himmels willen hin in solcher Hast!« Der Student blieb wie in den Boden gewurzelt stehen, denn er war ?berzeugt, dass nun gleich ein neues Ungl?ck auf ihn einbrechen werde. Die Stimme lie? sich wieder h?ren: »Herr Anselmus, so kommen Sie doch zur?ck, wir warten hier am Wasser!« – Nun vernahm der Student erst, dass es sein Freund, der Konrektor Paulmann war, der ihn rief; er ging zur?ck an die Elbe und fand den Konrektor mit seinen beiden T?chtern sowie den Registrator Heerbrand, wie sie eben im Begriff waren, in eine Gondel zu steigen. Der Konrektor Paulmann lud den Studenten ein, mit ihm ?ber die Elbe zu fahren und dann in seiner, auf der Pirnaer Vorstadt gelegenen Wohnung abends ?ber bei ihm zu bleiben. Der Student Anselmus nahm das recht gern an, weil er denn doch so dem b?sen Verh?ngnis, das heute ?ber ihn walte, zu entrinnen glaubte. Als sie nun ?ber den Strom fuhren, begab es sich, dass auf dem jenseitigen Ufer bei dem Antonschen Garten ein Feuerwerk abgebrannt wurde. Prasselnd und zischend fuhren die Raketen in die H?he, und die leuchtenden Sterne zersprangen in den L?ften, tausend knisternde Strahlen und Flammen um sich spr?hend. Der Student Anselmus sa? in sich gekehrt bei dem rudernden Schiffer, als er nun aber im Wasser den Widerschein der in der Luft herumspr?henden und knisternden Funken und Flammen erblickte, da war es ihm, als z?gen die goldnen Schl?nglein durch die Flut. Alles, was er unter dem Holunderbaum Seltsames geschaut, trat wieder lebendig in Sinn und Gedanken, und aufs Neue ergriff ihn die unaussprechliche Sehnsucht, das gl?hende Verlangen, welches dort seine Brust in krampfhaft schmerzvollem Entz?cken ersch?ttert. »Ach, seid ihr es denn wieder, ihr goldenen Schl?nglein, singt nur, singt! In eurem Gesange erscheinen ja wieder die holden lieblichen dunkelblauen Augen – ach, seid ihr denn unter den Fluten!« – So rief der Student Anselmus und machte dabei eine heftige Bewegung, als wolle er sich gleich aus der Gondel in die Flut st?rzen. »Ist der Herr des Teufels?« rief der Schiffer und erwischte ihn beim Rockscho?. Die M?dchen, welche bei ihm gesessen, schrieen[13] im Schreck auf und fl?chteten auf die andere Seite der Gondel; der Registrator Heerbrand sagte dem Konrektor Paulmann etwas ins Ohr, worauf dieser mehreres antwortete, wovon der Student Anselmus aber nur die Worte verstand: »Dergleichen Anf?lle – noch nicht bemerkt?« – Gleich nachher stand auch der Konrektor Paulmann auf und setzte sich mit einer gewissen ernsten gravit?tischen Amtsmiene zu dem Studenten Anselmus, seine Hand nehmend und sprechend: »Wie ist Ihnen, Herr Anselmus?« Dem Studenten Anselmus vergingen beinahe die Sinne, denn in seinem Innern erhob sich ein toller Zwiespalt, den er vergebens beschwichtigen wollte. Er sah nun wohl deutlich, dass das, was er f?r das Leuchten der goldenen Schl?nglein gehalten, nur der Widerschein des Feuerwerks bei Antons Garten war; aber ein nie gekanntes Gef?hl, er wusste selbst nicht, ob Wonne, ob Schmerz, zog krampfhaft seine Brust zusammen, und wenn der Schiffer nun so mit dem Ruder ins Wasser hineinschlug, dass es, wie im Zorn sich emporkr?uselnd, pl?tscherte und rauschte, da vernahm er in dem Get?se ein heimliches Lispeln und Fl?stern: »Anselmus! Anselmus! Siehst du nicht, wie wir stets vor dir herziehen? – Schwesterlein blickt dich wohl wieder an – glaube – glaube – glaube an uns.« – Und es war ihm, als s?h’ er im Widerschein drei gr?ngl?hende Streife. Aber als er dann recht wehm?tig ins Wasser hineinblickte, ob nun nicht die holdseligen Augen aus der Flut herausschauen w?rden, da gewahrte er wohl, dass der Schein nur von den erleuchteten Fenstern der nahen H?user herr?hrte. Schweigend sa? er da und im Innern mit sich k?mpfend; aber der Konrektor Paulmann sprach noch heftiger: »Wie ist Ihnen, Herr Anselmus?« Ganz kleinm?tig antwortete der Student: »Ach, lieber Herr Konrektor, wenn Sie w?ssten, was ich eben unter einem Holunderbaum bei der Linkeschen Gartenmauer ganz wachend mit offnen Augen f?r ganz besondere Dinge getr?umt habe, ach, Sie w?rden mir es gar nicht verdenken, dass ich so gleichsam abwesend« – »Ei, ei, Herr Anselmus«, fiel der Konrektor Paulmann ein, »ich habe Sie immer f?r einen soliden jungen Mann gehalten, aber tr?umen – mit hellen offenen Augen tr?umen und dann mit einem Mal ins Wasser springen wollen, das – verzeihen Sie mir, k?nnen nur Wahnwitzige oder Narren!« – Der Student Anselmus wurde ganz betr?bt ?ber seines Freundes harte Rede, da sagte Paulmanns ?lteste Tochter Veronika, ein recht h?bsches bl?hendes M?dchen von sechzehn Jahren: »Aber, lieber Vater, es muss dem Herrn Anselmus doch was Besonderes begegnet sein, und er glaubt vielleicht nur, dass er gewacht habe, unerachtet er unter dem Holunderbaum wirklich geschlafen und ihm allerlei n?rrisches Zeug vorgekommen, was ihm noch in Gedanken liegt.« »Und, teuerste Mademoiselle, werter Konrektor«, nahm der Registrator Heerbrand das Wort, »sollte man denn nicht auch wachend in einen gewissen tr?umerischen Zustand versinken k?nnen? So ist mir in der Tat selbst einmal nachmittags beim Kaffee in einem solchen Hinbr?ten, dem eigentlichen Moment k?rperlicher und geistiger Verdauung, die Lage eines verlornen Aktenst?cks wie durch Inspiration eingefallen, und nur noch gestern tanzte auf gleiche Weise eine herrliche gro?e lateinische Frakturschrift vor meinen hellen offenen Augen umher.« – »Ach, geehrtester Registrator«, erwiderte der Konrektor Paulmann, »Sie haben immer solch einen Hang zu den Poeticis[14] gehabt, und da verf?llt man leicht in das Fantastische und Romanhafte.« Aber dem Studenten Anselmus tat es wohl, dass man sich seiner in der h?chst betr?bten Lage, f?r betrunken oder wahnwitzig gehalten zu werden, annahm, und unerachtet es ziemlich finster geworden, glaubte er doch zum ersten Male zu bemerken, wie Veronika recht sch?ne dunkelblaue Augen habe, ohne dass ihm jedoch jenes wunderbare Augenpaar, das er in dem Holunderbaum geschaut, in Gedanken kam.

?berhaupt war dem Studenten Anselmus mit einem Mal nun wieder das Abenteuer unter dem Holunderbaum ganz verschwunden, er f?hlte sich so leicht und froh, ja er trieb es wie im lustigen ?bermute so weit, dass er bei dem Heraussteigen aus der Gondel seiner Schutzrednerin Veronika die h?lfreiche[15] Hand bot und ohne weiteres, als sie ihren Arm in den seinigen hing, sie mit so vieler Geschicklichkeit und so vielem Gl?ck zu Hause f?hrte, dass er nur ein einziges Mal ausglitt, und da es gerade der einzige schmutzige Fleck auf dem ganzen Wege war, Veronikas wei?es Kleid nur ganz wenig bespritzte. Dem Konrektor Paulmann entging die gl?ckliche ?nderung des Studenten Anselmus nicht, er gewann ihn wieder lieb und bat ihn der harten Worte wegen, die er vorhin gegen ihn fallen lassen, um Verzeihung. »Ja!« f?gte er hinzu, »man hat wohl Beispiele, dass oft gewisse Fantasmata[16] dem Menschen vorkommen und ihn ordentlich ?ngstigen und qu?len k?nnen, das ist aber k?rperliche Krankheit, und es helfen Blutigel[17], die man, salva venia[18], dem Hintern appliziert, wie ein ber?hmter, bereits verstorbener Gelehrter bewiesen.« Der Student Anselmus wusste nun in der Tat selbst nicht, ob er betrunken, wahnwitzig oder krank gewesen, auf jeden Fall schienen ihm aber die Blutigel ganz unn?tz, da die etwanigen Fantasmata g?nzlich verschwunden und er sich immer heiterer f?hlte, je mehr es ihm gelang, sich in allerlei Artigkeiten um die h?bsche Veronika zu bem?hen. Es wurde wie gew?hnlich nach der frugalen Mahlzeit Musik gemacht; der Student Anselmus musste sich ans Klavier setzen, und Veronika lie? ihre helle, klare Stimme h?ren. —»Werte Mademoiselle«, sagte der Registrator Heerbrand, »Sie haben eine Stimme wie eine Kristallglocke!« »Das nun wohl nicht!« fuhr es dem Studenten Anselmus heraus, er wusste selbst nicht wie, und alle sahen ihn verwundert und betroffen an. »Kristallglocken t?nen in Holunderb?umen wunderbar! wunderbar!« fuhr der Student Anselmus halbleise murmelnd fort. Da legte Veronika ihre Hand auf seine Schulter und sagte: »Was sprechen Sie denn da, Herr Anselmus?« Gleich wurde der Student wieder ganz munter und fing an zu spielen. Der Konrektor Paulmann sah ihn finster an, aber der Registrator Heerbrand legte ein Notenblatt auf den Pult und sang zum Entz?cken eine Bravour-Arie vom Kapellmeister Graun. Der Student Anselmus akkompagnierte noch manches, und ein fugiertes Duett, das er mit Veronika vortrug und das der Konrektor Paulmann selbst komponiert, setzte alles in die fr?hlichste Stimmung. Es war ziemlich sp?t worden, und der Registrator Heerbrand griff nach Hut und Stock, da trat der Konrektor Paulmann geheimnisvoll zu ihm hin und sprach: »Ei, wollten Sie nicht, geehrter Registrator, dem guten Herrn Anselmus selbst – nun! wovon wir vorhin sprachen« – »Mit tausend Freuden«, erwiderte der Registrator Heerbrand und begann, nachdem sie sich im Kreise gesetzt, ohne weiteres in folgender Art: »Es ist hier am Orte ein alter wunderlicher, merkw?rdiger Mann, man sagt, er treibe allerlei geheime Wissenschaften, da es nun aber dergleichen eigentlich nicht gibt, so halte ich ihn eher f?r einen forschenden Antiquar, auch wohl nebenher f?r einen experimentierenden Chemiker. Ich meine niemand andern als unsern Geheimen Archivarius Lindhorst. Er lebt, wie Sie wissen, einsam in seinem entlegenen alten Hause, und wenn ihn der Dienst nicht besch?ftigt, findet man ihn in seiner Bibliothek oder in seinem chemischen Laboratorio, wo er aber niemanden hineinl?sst. Er besitzt au?er vielen seltenen B?chern eine Anzahl zum Teil arabischer, koptischer und gar in sonderbaren Zeichen, die keiner bekannten Sprache angeh?ren, geschriebener Manuskripte. Diese will er auf geschickte Weise kopieren lassen, und es bedarf dazu eines Mannes, der sich darauf versteht, mit der Feder zu zeichnen, um mit der h?chsten Genauigkeit und Treue alle Zeichen auf Pergament, und zwar mit Tusche, ?bertragen zu k?nnen. Er l?sst in einem besondern Zimmer seines Hauses unter seiner Aufsicht arbeiten, bezahlt au?er dem freien Tisch[19] w?hrend der Arbeit jeden Tag einen Speziestaler[20] und verspricht noch ein ansehnliches Geschenk, wenn die Abschriften gl?cklich beendet. Die Zeit der Arbeit ist t?glich von zw?lf bis sechs Uhr. Von drei bis vier Uhr wird geruht und gegessen. Da er schon mit ein paar jungen Leuten vergeblich den Versuch gemacht hat, jene Manuskripte kopieren zu lassen, so hat er sich endlich an mich gewendet, ihm einen geschickten Zeichner zuzuweisen; da habe ich an Sie gedacht, lieber Herr Anselmus, denn ich wei?, dass Sie sowohl sehr sauber schreiben, als auch mit der Feder zierlich und rein zeichnen. Wollen Sie daher in dieser schlechten Zeit und bis zu Ihrer etwanigen Anstellung den Speziestaler t?glich verdienen und das Geschenk obendrein, so bem?hen Sie sich morgen Punkt zw?lf Uhr zu dem Herrn Archivarius, dessen Wohnung Ihnen bekannt sein wird. – Aber h?ten Sie sich ja vor jedem Tinteflecken; f?llt er auf die Abschrift, so m?ssen Sie ohne Gnade von vorn anfangen, f?llt er auf das Original, so ist der Herr Archivarius imstande, Sie zum Fenster hinauszuwerfen, denn es ist ein zorniger Mann.« – Der Student Anselmus war voll inniger Freude ?ber den Antrag des Registrators Heerbrand; denn nicht allein, dass er sauber schrieb und mit der Feder zeichnete, so war es auch seine wahre Passion, mit m?hsamem kalligraphischen Aufwande abzuschreiben; er dankte daher seinen G?nnern in den verbindlichsten Ausdr?cken und versprach die morgende Mittagsstunde nicht zu vers?umen. In der Nacht sah der Student Anselmus nichts als blanke Speziestaler und h?rte ihren lieblichen Klang. – Wer mag das dem Armen verargen, der um so manche Hoffnung durch ein launisches Missgeschick betrogen, jeden Heller zu Rate halten und manchem Genuss, den jugendliche Lebenslust foderte, entsagen musste. Schon am fr?hen Morgen suchte er seine Bleistifte, seine Rabenfedern, seine chinesische Tusche zusammen; denn besser, dachte er, kann der Archivarius keine Materialien erfinden. Vor allen Dingen musterte und ordnete er seine kalligraphischen Meisterst?cke und seine Zeichnungen, um sie dem Archivarius, zum Beweis seiner F?higkeit, das Verlangte zu erf?llen, aufzuweisen. Alles ging gl?cklich vonstatten, ein besonderer Gl?cksstern schien ?ber ihn zu walten, die Halsbinde sa? gleich beim ersten Umkn?pfen wie sie sollte, keine Naht platzte, keine Masche zerriss in den schwarzseidenen Str?mpfen, der Hut fiel nicht noch einmal in den Staub, als er schon sauber abgeb?rstet. – Kurz! – Punkt halb zw?lf Uhr stand der Student Anselmus in seinem hechtgrauen Frack und seinen schwarzatlasnen Unterkleidern, eine Rolle Sch?nschriften und Federzeichnungen in der Tasche, schon auf der Schlossgasse in Conradis Laden und trank – eins – zwei Gl?schen des besten Magenlik?rs, denn hier, dachte er, indem er auf die annoch leere Tasche schlug, werden bald Speziestaler erklingen. Unerachtet des weiten Weges bis in die einsame Stra?e, in der sich das uralte Haus des Archivarius Lindhorst befand, war der Student Anselmus doch vor zw?lf Uhr an der Haust?r. Da stand er und schaute den gro?en sch?nen bronzenen T?rklopfer an; aber als er nun auf den letzten die Luft mit m?chtigem Klange durchbebenden Schlag der Turmuhr an der Kreuzkirche den T?rklopfer ergreifen wollte, da verzog sich das metallene Gesicht im ekelhaften Spiel blaugl?hender Lichtblicke zum grinsenden L?cheln. Ach! es war ja das ?pfelweib vom Schwarzen Tor! Die spitzigen Z?hne klappten in dem schlaffen Maule zusammen, und in dem Klappern schnarrte es: »Du Narre – Narre – Narre – warte, warte! warum warst hinausgerannt! Narre!« – Entsetzt taumelte der Student Anselmus zur?ck, er wollte den T?rpfosten ergreifen, aber seine Hand erfasste die Klingelschnur und zog sie an, da l?utete es st?rker und st?rker in gellenden Misst?nen, und durch das ganze ?de Haus rief und spottete der Widerhall: »Bald dein Fall ins Kristall!« – Den Studenten Anselmus ergriff ein Grausen, das im krampfhaften Fieberfrost durch alle Glieder bebte. Die Klingelschnur senkte sich hinab und wurde zur wei?en durchsichtigen Riesenschlange, die umwand und dr?ckte ihn, fester und fester ihr Gewinde schn?rend, zusammen, dass die m?rben zermalmten Glieder knackend zerbr?ckelten und sein Blut aus den Adern spritzte, eindringend in den durchsichtigen Leib der Schlange und ihn rot f?rbend. – »T?te mich, t?te mich!« wollte er schreien in der entsetzlichen Angst, aber sein Geschrei war nur ein dumpfes R?cheln. – Die Schlange erhob ihr Haupt und legte die lange spitzige Zunge von gl?hendem Erz auf die Brust des Anselmus, da zerriss ein schneidender Schmerz j?hling die Pulsader des Lebens, und es vergingen ihm die Gedanken. – Als er wieder zu sich selbst kam, lag er auf seinem d?rftigen Bettlein, vor ihm stand aber der Konrektor Paulmann und sprach: »Was treiben Sie denn um des Himmels willen[21] f?r tolles Zeug, lieber Herr Anselmus!«

Данный текст является ознакомительным фрагментом.